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Spezifische Elastizitäten
2.4.2.1 Die Einkommenselastizität
Die direkte Preiselastizität

D
ie Einkommenselastizität eines Gutes ist nichts anderes als die Elastizität der Engel-Kurve. Da man in der Regel nicht an der Einkommenselastizität eines einzelnen Haushalts interessiert ist, sondern an der durchschnittlichen Einkommenselastizität aller Haushalte (oder einer Gruppe von Haushalten), zieht man eine über die Haushalte aggregierte Engel-Kurve heran. Die Aggregation erfolgt vollkommen analog zur Aggregation von Nachfragefunktionen. Die aggregierte Engel-Kurve unterscheidet sich prinzipiell nicht von der eines einzelnen Haushalts.

Aus der allgemeinen Diskussion der Elastizitäten ist bekannt, dass

  1. die Elastizität einer Kurvein einem bestimmten Punkt der Elastizität der Tangente in diesem Punkt entspricht und
  2. eine Gerade durch den Ursprung mit einem Wert von eins isoelastisch ist. Daher lässt sich über Punkt A in Abbildung 1 jene Einkommenshöhe bestimmen, bei der die Einkommenselastizität der Nachfrage gleich eins ist. Links von A ist die Einkommenselastizität größer, rechts von A kleiner als eins.
Abbildung 1
Engelkurve als Grundlage für die Ermittlung von Einkommenselastizitäten

Der Wert einer Einkommenselastizität von eins wird herangezogen, um zwischen Grundbedarfsgütern unud Luxusgütern zu unterscheiden (s. Einkommenselastizität). Liegt die Elastizität über eins, handelt es sich um ein Luxusgut; liegt sie unter eins, um ein Grundbedarfsgut. Nun scheint es auf den ersten Blick so, als sei das hier betrachtete Gut X zugleich ein Grundbedarfs- und Luxusgut, denn die Engel-Kurve zeigt für dieses Gut ja Elastizitäten von über und unter eins. Es scheint nicht nur so, es ist auch so. "Zugleich" darf man allerdings nicht im Sinne von gleichzeitig interpretieren. Bei niedrigem Einkommensniveau kann ein Gut sehr wohl ein Luxusgut sein, das bei hohen Einkommen zum Grundbedarfsgut wird. Dahinter steht die Überlegung, dass bei geringen Einkommen zunächst die Grundbedürfnisse befriedigt werden. Mit steigendem Einkommen werden dann zunehmend auch Luxusbedürfnisse befriedigt. Daher geht der Anteil der Ausgaben für Grundbedarfsgüter mit steigendem Einkommen zurück*, während der Anteil der Ausgaben für Luxusgüter zunimmt.

Zum Mitdenken ein Fall aus der Praxis

Zeitungsmeldung Wenn das Gericht seine Entscheidung auf Basis einer empirischen, ökonomisch fundierten Untersuchung über die Nachfrage nach Kleinwagen getroffen hätte, welche Maßzahl wäre in der Untersuchung zu finden und in welchem Wertebereich hätte sie gelegen?

Quelle: "Urteil: Besuch nicht nötig, anrufen reicht", Schaumburger Nachrichten v. 24.08.98.

Wer dieser Überlegung zustimmt, gibt damit zugleich zu verstehen, dass er den Wert eins der Einkommenselastizität als kritische Grenze zwischen Luxus- und Grundbedarf akzeptiert. Denn eine Einkommenselastizität für ein Gut über eins bedeutet einen mit steigendem Einkommen zunehmenden Ausgabenanteil für dieses Gut.

Das lässt sich wie folgt erklären: Der Ausgabenanteil am Einkommen $E$ z. B. für das Gut x beträgt $\cfrac{p_{x}x}{E}$. Der Preis $p_x$ von $x$ ist konstant. Der Ausgabenanteil kann sich also nur durch $x$ oder $E$ ändern. Wenn $x$ relativ stärker zunimmt als $E$, dann steigt der Ausgabenanteil. Das ist aber bei einer Einkommenselastizität größer eins der Fall, denn sie bedeutet ja gerade, dass $x$ stärker wächst als $E$. Die Einkommenselastizität entspricht nämlich dem Verhältnis der Wachstumsraten von $x$ und $E$. Man muss natürlich, um diese Argumentation einsehen zu können, wissen, dass ein Bruch $\cfrac{x}{z}$ steigt, wenn $x$ stärker wächst als $z$ (ausführliche Erklärung: Rechnen mit Wachstumsraten und Aggregationseigenschaft der Einkommenselastizitäten).

Es kann also festgehalten werden, dass Einkommenselastizitäten über eins auf ein Luxusgut und Einkommenselastizitäten unter eins auf ein Grundbedarfsgut hindeuten.

Die Unterscheidung ist allerdings nicht trennscharf und die Einkommenselastizität sicher nicht das einzige, aber ein objektives Kriterium, zwischen Grund- und Luxusbedarf zu unterscheiden. Der Wert der Einkommenselastizität wird wesentlich vom Niveau des Einkommens bestimmt.

Ein weiterer markanter Punkt in Abbildung 1 ist P. Hier wechselt die Einkommenselastizität ihr Vorzeichen.

Ein Gut mit positiver Einkommenselastizität heißt superior oder normal, eines mit negativer inferior. Hinweis: Diese Klassifikation ist in der Literatur nicht durchgängig einheitlich.

Der Regelfall ist der des superioren Gutes. Für inferiore Güter gibt es wenige Beispiele (z.B. (die klassische, einfache) Margarine). Gelegentlich werden Güter mit einer Einkommenselastizität zwischen null und eins als relativ inferior bezeichnet und zur besseren Unterscheidung Güter mit einer negativen Einkommenselastizität dann als absolut inferior. Relativ inferiore Güter verlieren mit steigendem Einkommen anteilmäßig an den Ausgaben des Haushalts, weil die Nachfrage nach ihnen langsamer wächst als das Einkommen. Wie bei der Unterscheidung zwischen Grund- und Luxusbedarf gilt auch hier, dass ein und dasselbe Gut je nach den Rahmenbedingungen entweder superior oder inferior sein kann.

Je höher die Einkommenselastizität ausfällt, desto stärker steigt die Nachfrage mit steigendem Einkommen, aber desto mehr geht sie mit sinkendem Einkommen auch zurück. Das bedeutet für Branchen, die Luxusgüter herstellen, eine höhere Konjunkturanfälligkeit (= Schwankungen im Einkommen) als dies in Branchen der Fall ist, die Grundbedarfsgüter produzieren.

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